Lesungen: Gen 1,1−2,2.; Ex 14,15−15,1.; Jes 55,1−11.; Röm 6,3−11.; Mt 28,1−10.
Predigt von Stadtpfarrer und Stiftspropst Dr. Klaus Metzl:
Liebe österliche Festgemeinde!
Das Leitwort der österlichen Liturgie heißt: Heute! Dieses Heute ist nicht theatralisch gemeint, etwa in dem Sinne, dass wir längst Vergangenes wieder zur Aufführung bringen, so wie es die Passionsspiele machen, die uns für einen Augenblick aus der Wirklichkeit des Alltages in eine Scheinwelt des Theaters entfliehen lassen, in längst vergangene Tage. Nein: Liturgie will nicht Spiel sein, sondern das Hinzutreten in die eigentliche Wirklichkeit, das Heraustreten aus unserer vermeintlichen Wirklichkeit, in der wir leben, in der wir uns bewegen und sind, die fortwährend zerfällt und ins Nichts hinein vergeht, zu der Wirklichkeit, die so wirklich ist, dass sie bleibt, dass sie uns trägt und hält. Liturgie will nicht weniger, will nicht Flucht aus der Alltagswirklichkeit auf eine Spielwiese liturgischer Äußerlichkeiten sein, sondern ein Mehr an Wirklichkeit, ein Hinein-Schwingen in das, was wir heilig und ewig nennen, das Aufnehmen des Ur-Rhythmuses des Lebens und der Liebe, die Gott seit der Erschaffung der Welt in diese – und damit auch in uns – hineingelegt hat. Dieses Eintreten und Hinzu-Treten in die neue und unvergängliche Wirklichkeit ist möglich, weil die Auferstehung Jesu nicht vergangen ist, sondern – und das ist ja das zentrale Geheimnis des Osterfestes, das wir feiern! – mit der Auferstehung ist der gekreuzigte Herr Jesus Heute aus dem Vergänglichen menschlichen Daseins ins Bleibende und Ewige der himmlischen Herrlichkeit herausgetreten. Er der Auferstandene ist Heute auferstanden und wenn wir in IHM bleiben – in lebendigem Glauben und tiefer Freundschaft – dann werden auch wir Heute auferstehen; werden auch wir Heute wieder neu teilhaben am verklärten Leben der himmlischen Herrlichkeit (Lk 23,43), die in Jesus Christus offenbar und uns aus reiner Gnade geschenkt worden ist. Und dieses Geheimnis vollzieht sich und wird real in der Taufe, die ja – wie der Apostel Paulus im Brief an die Römer schreibt – Vollzug und Anteilhabe an Jesu Tod und Auferstehung (Röm 6,3f) ist. Und deswegen ist die Feier der Auferstehung des Herrn in der Osternacht von alters her der Ur-Ort der Taufe, in der sich im Hier und Heute für uns Auferstehung ereignet und Wirklichkeit wird.
Wenn wir das hören, dann klingt das alles so theoretisch und abstrakt! Unsere Vorstellungen von der Feier der Taufe sind doch sehr viel bescheidener geworden. Wir haben uns den Sinn dieses Sakramentes auf unsere verstehbaren Lebenszusammenhänge zurechtgeschnitten. Wenn beispielsweise Eltern ihre Kinder zur Taufen tragen, dann ist das heute vielfach doch so, dass sie kaum an die Teilhabe ihres Kindes an der Auferstehungsgemeinschaft mit Christus denken, sondern vielmehr an ein Familienfest, das die Freude über die Geburt des Neugeborenen zum Ausdruck bringt. Und vielleicht spielt auch der Gedanke mit, dass man sich ungern von einer altehrwürdigen Tradition trennen möchte, die den Vorfahren heilig war und an der vielleicht doch etwas dran sein könnte. Und es mag auch der Gedanke noch eine Rolle spielen, dass man dieses junge Leben, das nun die Schwelle in eine Zukunft betritt, die voller unbekannter Gefahren ist, dass man dieses junge Leben einem höheren Schutz und Segen anvertrauen möchte. Und vor allem wirkt noch der Gedanke mit, dass man durch die Taufe Mitglied in der Gemeinschaft der Kirche wird, dass die Taufe die Mitgliedschaft in der Kirche als Institution mit allen Konsequenzen zur Folge hat.
Alle diese Deutungen sind richtig, aber greifen zu kurz. Denn Taufe als Anteilhabe an Jesu Tod und Auferstehung besagt, dass wir, die Getauften, Heute, Hier und Jetzt, schon Anteil haben am ewigen Leben. Wir gehören zur Gemeinschaft der Heiligen. Der Tod hat keine Macht mehr über uns. Sterben ist uns Gewinn, bedeutet Heimkehr in die himmlischen Wohnungen, die Gott für uns vorbereitet hat (Joh 14,2). Ostern und Taufe bedeutet Pascha – Übergang – in die eigentliche Wirklichkeit des ewigen Heute in der Herrlichkeit des Himmels. Taufe ist die öffentliche Bekundung und Bestätigung, dass die Liebe stärker ist als der Tod (Hld 8,6) und dass die Liebe niemals aufhört (1 Kor 13,8). Die Taufliturgie der Kirche, so wie wir sie gleich mit zwei Kindern feiern werden, deutet dies in vielerlei Symbolen. Zunächst mit dem Wasser: Es ist das Symbol für Leben, für Kreativität und Schöpfungskraft. Im Wasser werden wir gereinigt, sodass wir Christus mit weißen Gewändern anziehen (Gal 3,27) und zur Gemeinschaft der Heiligen zählen. Durch das Bad der Wiedergeburt im Wasser der Taufe werden wir von der Schuld des ersten Adam, die zum Tode führt, befreit, und aufgenommen in die Wirklichkeit des ewigen Lebens des zweiten Adam, Christus!
Und das Licht der Taufkerze, das an der Osterkerze entzündet und den Eltern und Paten des Kindes anvertraut wird, macht deutlich, dass der heilige Funke Christi auf den Täufling überspringt, dass Christus, das Licht der Welt, die Täuflinge erleuchtet. Sie sollen als Kinder des Lichtes leben, sich im Glauben bewähren und dem Herrn und allen Heiligen entgegengehen, wenn er kommt in Herrlichkeit. Und so wollen wir nun die beiden Täuflinge mit ihren Eltern und Paten in die Kirche, in die Gemeinschaft der Getauften, hereinholen, damit auch sie Heute eingegliedert werden in die neue Wirklichkeit des ewigen Lebens, die uns bereits in der Taufe geschenkt wurde.
Amen