Österliches Triduum

Martin Rieger am 14.04.2023

Bild 14 Karfreitag 7 04 2023 Dorfner

Karfreitag - Die Feier vom Leiden und Sterben Christi in der Stiftspfarrkirche St. Philippus und Jakobus

Lesun­gen: Jes 52,1353.; Hebr 4,1416; 5,79.; Joh 18,119,42.

Pre­digt von Stadt­pfar­rer und Stifts­propst Dr. Klaus Metzl:


Lie­be Schwes­tern und Brü­der im Herrn!

Papst Bene­dikt XVI. hat ein­mal dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der hei­li­ge Igna­ti­us von Antio­chi­en um das Jahr 100 auf sei­nem Weg zum Mar­ty­ri­um in sei­nem Brief an die Kir­che von Ephe­sus einen geheim­nis­vol­len Satz ein­ge­fügt hat, in dem er sag­te: Wenn wir das Wort Chris­ti besit­zen, dann wer­den wir auch sein Schwei­gen hören (IgnEph 15)

Damit will Igna­ti­us von Antio­chi­en dar­auf hin­wei­sen, dass wir die Wor­te Jesu in sei­ner gan­zen Tie­fe nur dann in rech­ter Wei­se ver­ste­hen, wenn wir sie nicht nur als Rede betrach­ten, son­dern wenn wir uns durch das Wort Jesu hin­durch in den Grund sei­nes Schwei­gens vor­tas­ten, die sei­nen Wor­ten erst Bestän­dig­keit und Kraft verleihen.

Denn Jesus hat mehr gege­ben als nur Wor­te und Taten. Er hat sich selbst gege­ben, die Lie­be sei­nes Her­zens, sein gan­zes Sein. Und nur so konn­ten wir Men­schen erlöst und mit Gott ver­söhnt wer­den. Denn der Hass kann nicht über­wun­den wer­den durch einen ande­ren Hass, son­dern nur, indem er in der Lie­be aus­ge­hal­ten, erlit­ten und so an sein Ende gebracht wird. Krieg und Gewalt kön­nen nicht über­wun­den wer­den durch noch stär­ke­re Gewalt, son­dern wie­der­um nur durch die Kraft der Lie­be, die ihr stand­hält, und die so zu ihrem Ende führt und zu ihrer Ver­wand­lung. Doch wir Men­schen heu­te wol­len – wie die Men­schen zu allen Zei­ten – nur noch die Kraft des Wor­tes, des Gedan­kens und der Taten, die pro­duk­tiv und gewinn­brin­gend sind, und selbst die Lie­be wol­len wir oft genug nur noch in den Augen­blick des Genus­ses umwan­deln und uns befrei­en von der Pas­si­on, der Ver­än­de­rung, des Sich-Ver­lie­rens, in die uns die Lie­be Got­tes hin­ein­füh­ren möch­te. Und weil das so ist, weil wir von Hin­ga­be und Leid gar nicht mehr spre­chen, weil wir all dies ver­drän­gen und nach Mög­lich­keit abschaf­fen wol­len, des­halb rückt uns das Geheim­nis Jesu, das Geheim­nis der unbe­grenz­ten Lie­be Got­tes, immer wei­ter weg; wer­den wir immer unfä­hi­ger, die Lie­be Got­tes in Jesu Lei­den am Kreuz zu ver­ste­hen; wird uns Chris­tus, und der leben­dig machen­de Glau­be an IHN, immer ober­fläch­li­cher; ent­fer­nen wir uns immer wei­ter von der Mit­te, die uns trägt, die unser Leben ver­wan­delt, und die uns zu sei­nen Freun­den macht. In der gan­zen Lit­ur­gie des Kar­frei­tags geht es letz­ten Endes also dar­um, in das Schwei­ge Jesu hin­ein­zu­fin­den. So beginnt die Lit­ur­gie mit dem Augen­blick des Schwei­gens zu Füßen des Kreu­zes, wenn wir stil­le auf dem Boden lie­gen. Der Höhe­punkt der Lit­ur­gie ist das schwei­gen­de Vor­tre­ten und Ver­eh­ren des Gekreuzigten.

Und am Ende geht die Lit­ur­gie über in das gro­ße Schwei­gen des Kar­sams­tags, in das Ver­stum­men vor dem Tode Jesu, in das Stil­le-Wer­den an sei­nem Grab, das in die Stil­le der ewi­gen Anbe­tung hineinführt.

Und auch die Pas­si­ons­ge­schich­te selbst, die wir eben gehört haben, ist eigent­lich nichts ande­res als der Ver­such des Evan­ge­lis­ten Johan­nes, das Schwei­gen Jesu bei sei­ner Gefan­gen­nah­me, bei sei­nen Ver­hö­ren und auf sei­nem Kreuz­weg, hör­bar zu machen: Jenes Ver­stum­men, in das sei­ne Wor­te hin­ein­klin­gen, und das all sei­nen Wor­ten erst ihre Tie­fe und Kraft ver­lei­hen. All die ein­zel­nen Sze­nen der Pas­si­ons­ge­schich­te sind im Grun­de Türen in das Schwei­gen Jesu hinein.

Am Bei­spiel der Ent­blö­ßung Jesu kön­nen wir dem Geheim­nis des Schwei­gens Jesu beson­ders gut auf die Spur kom­men und es ver­ste­hen ler­nen: Jesus – so heißt es – wird sei­ner Klei­der beraubt. Das ist zunächst die Ver­sto­ßung in die äußers­te Armut, in die end­gül­ti­ge Besitz­lo­sig­keit, und dar­über hin­aus auch Ent­eh­rung und Ent­wür­di­gung: Er wird sei­ner sozia­len Stel­lung beraubt. Er gehört nicht mehr zur Gesell­schaft der Men­schen, die etwas sind und etwas dar­stel­len. Er ist ein Nichts gewor­den, das nicht mehr zählt und des­sen Din­ge man ver­tei­len darf. So erin­nert uns der so aus­ge­sto­ße­ne und ent­ehr­te Jesu an den Augen­blick, an dem wir selbst ein­mal nackt und bloß vor Got­tes Ange­sicht ste­hen wer­den: Wir, die wir uns so ger­ne hin­ter unse­ren Rol­len, hin­ter dem Schein unse­rer Wer­ke und der herr­schen­den Mei­nung ver­ber­gen, und doch nur arm­se­lig und klein sind.

Aber nicht nur das. Wir erin­nern uns auch an das Psalm-Wort: An Schlacht- und Spei­se­op­fern hat­test du kein Gefal­len; Brand- und Sünd­op­fer hast du nicht gefor­dert; doch einen Leib (Ohren) hast du mir gege­ben. Da habe ich gesagt: Sie­he, ich kom­me! In der Buchrol­le steht es über mich geschrie­ben: dei­nen Wil­len zu tun, mein Gott, war mei­ne Freu­de (Ps 40,79). Da ist erst­mals ein Hohe­pries­ter ange­kün­digt, der nicht nur, wie es in der gan­zen Reli­gi­ons­ge­schich­te hin­durch geschieht, Ersatz gibt. Denn alles, was wir Gott geben, ist doch nur Ersatz für uns selbst. Und was soll Gott eigent­lich damit? Ob es nun Stie­re und Rin­der oder sonst irgend­et­was ist. In der Ganz-Hin­ga­be Jesu geschieht erst­mals wahr­haft hohe­pries­ter­li­ches Han­deln. Er bringt nicht Ersatz, son­dern sich selbst, sein Leben in sei­ner alles umfas­sen­den Lie­be dar: nicht Klei­der, die Äußer­li­ches zur Schau tra­gen, son­dern sei­nen Leib, sich selbst, ganz und gar! Und so ler­nen wir auch ver­ste­hen, was es heißt, Eucha­ris­tie zu fei­ern: Es geht um ein Hin­ein­tre­ten in die­se Wirk­lich­keit der sich selbst hin­ge­ben­de Lie­be, die uns erlöst und zu Kin­dern Got­tes macht.

Und so bit­ten wir den Herrn, dass er uns schwei­gend sein Wort ver­ste­hen lässt, damit wir unse­re ver­meint­li­che Selbst-Herr­lich­keit für die uns geschenk­te Herr­lich­keit Got­tes auf­ge­ben, die uns in der Tau­fe auf Jesu Chris­ti Tod und Auf­er­ste­hung bereits geschenkt wur­de, und die end­gül­tig offen­bar wer­den wird, wenn wir ihn schau­en dür­fen von Ange­sicht zu Angesicht.

Amen

Karfreitag in der Stiftspfarrkirche
Karfreitag in der Stiftspfarrkirche
Hl. Grab in der Stiftspfarrkirche
Hl. Grab in der Stiftspfarrkirche
Hl Grab der Gnadenkapelle
Heiliges Grab in der Gnadenkapelle

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