2021 musste die Wallfahrtsrektorenkonferenz allerdings coronabedingt ausfallen und aus demselben Grund in diesem Jahr ohne die österreichischen Teilnehmer aus Mariazell auskommen. Trotzdem herrschte im Festsaal der Bischöflichen Administration von Altötting am vergangenen Donnerstag, 17. März eine gute und konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Das Thema lautete: “Wallfahrtsorte — Orte der Neuevangelisierung!?” Die beiden Satzzeichen am Ende waren bewusst gewählt, befindet sich das zum Teil viele Jahrhunderte alte Wallfahrtswesen doch in einem Umbruch, der durch die Corona-Pandemie wie unter einem Brennglas verstärkt wurde: dem Trend zu einer immer stärkeren Individualisierung der Pilgererfahrung und dem Aufweichen der Grenzen zwischen Spiritualität und Tourismus.
Rolf Lohmann, bis zu seiner Bischofsweihe im Juli 2017 Wallfahrtsrektor in Kevelaer, berichtete eingangs vom zweiten Expertengespräch in der Reihe “Pilgern und die Zukunft der Wallfahrtsorte” im Rahmen der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral: “Und dann kam Corona … Wallfahrtsorte im Zeichen des Wandels”. Anschließend folgte die Vorstellung und ein Austausch der Konzepte und Überlegungen der verschiedenen Wallfahrtsorte zum Thema der Tagung — begleitet durch ein Geschichte, Gegenwart und Zukunft Altöttings verbindendes Referat von Prälat Dr. Klaus Metzl. Dessen Fazit lautete: “Im Transformationsprozess des Wallfahrtsgeschehens am Gnadenort Altötting geht es um ein In-Ehren-Halten und Pflegen der Tradition und zugleich um ein konsequentes Öffnen von Wegen neuer Evangelisierung.
„Die Liebe wird ihre Sprache finden!”
Wie man die Menschen neu mit dem Evangelium in Berührung bringen kann, versuchte im letzten Tagesordnungspunkt Diözesanbischof Dr. Stefan Oster SDB in einem Impulsvortrag zu beantworten. Nach seiner Überzeugung gelinge es nur über das eigene glaubhafte Zeugnis, Menschen für die Sache Christi zu begeistern. Für Oster zählen dabei weniger Methoden, Strategien oder pastorale Konzepte: “Die Liebe wird ihre Sprache finden!” Dem konnte der Wallfahrtsrektor von Kevelaer, Pfarrer Gregor Kauling nur beipflichten. Wichtig sei die zweckfreie Begegnung zunächst von Mensch zu Mensch und dann von Mensch zu Gott, gemäß der von Papst Franziskus geforderten “Kultur der Aufmerksamkeit”. Wallfahrtsorte als Erfahrungsräume und Räume der Möglichkeiten hätten hier große Chancen. Schon eine Kirchenführung biete viele Anknüpfungspunkte, ergänzte Pater Philipp von Einsiedeln. Man suche stets nach Formen der Begegnung, bekräftigte Bruder Marinus: “Wir haben keine fertigen Antworten. Wir sind aufmerksam, wollen etwas anbieten, mit den Menschen gehen.” Dazu gehöre es, den Menschen auch außerhalb des Kirchenraumes zu begegnen, so Wallfahrtsrektor Kauling. Übersetzt heißt das beispielsweise für Altötting: Mehr an Priestergewand oder Ordenshabit erkennbare geistliche Präsenz auf dem Kapellplatz.
Dabei wolle und solle man allerdings nicht auf eine stärkere Einbindung gut ausgebildeter Ehrenamtlicher verzichten, so Weihbischof Lohmann. Ebenso wenig wie auf eine hohe Qualität der Gottesdienste und der Beichte, ergänzte Wallfahrtsrektor Klaus Metzl — Versöhnung, Umkehr und Aufbruch seien schließlich Kernelemente des Pilgerwesens. Der Tag klang aus mit einem gemeinsamen Gottesdienst, in dem Bischof Stefan Oster die zweite Altöttinger Fastenpredigt hielt (siehe unten).
Text und Bild: Wolfgang Terhörst