Geschichte der Wallfahrt
„Marienwallfahrtsorte sind die eigentlichen Hauptstädte der Welt.”
Der Mutterboden war Altötting, wie es wirklich war um 1489 und wie es stand im Verständnis und in der Vorstellung der damaligen Menschen.
Altötting war ein Dorf mit einem Chorherrenstift und einer Stiftskirche und dazu hatte es eine herzogliche, königliche, ja kaiserliche Vergangenheit. Links des Inn ging eine Römerstraße von Augsburg nach Wels, eine zweite nord-südlich von Regensburg nach Salzburg mit wohl einer Brücke über den Inn westlich von Altötting. Diese Straße wuchs sich im Mittelalter aus zum bedeutsamen Handelsweg zwischen Venedig, Villach, Salzburg, Landshut, Regensburg und Nürnberg. Über diese Straßen konnte die Wunderkunde von Altötting in kurzer Zeit überallhin wandern. Geschah das erste Wunder 1489, so kommen schon in den nächsten Jahren Pilger aus Böhmen, Wien, Kärnten, Steiermark und Südtirol. Diese geschichtliche und geografische Verortung hat DDr. Robert Bauer (Altöttinger Wallfahrtsrektor 1956 – 1991) in seinem empfehlenswerten Buch „Bayerische Wallfahrt Altötting“ grundgelegt.
Von Prälat DDr. Bauer stammt auch die Aussage, das große Wunder von Altötting sei, dass die Wallfahrt nach Altötting lebendig geblieben ist bis auf den heutigen Tag.
Ursprung des Wunders von Altötting
Während der Ursprung des Oktogons der Heiligen Kapelle mehr sagenumwoben als durch Fakten belegbar ist, kann der Beginn der Wallfahrt auf das Jahr genau eingeordnet werden. Es war das Jahr 1489, von dem der Dechant Johannes Scheiternberger nach alten Quellen folgendes Wunder zu berichten wusste: Ein dreijähriger Knabe ist ins Wasser gefallen und wurde erst eine halbe Stunde später geborgen. Die Mutter trug mit großem Gottvertrauen den toten Buben in die Heilige Kapelle und legte das Kind auf den Altar. Auf Knien flehen die Mutter und einige weitere Beter um das Leben des Kindes. „Alsbald wird das Kind lebendig“ heißt es im Wunderbericht abschließend.
Ein Wunder kommt selten allein und so macht im gleichen Jahr noch die Kunde vom 2. Wunder von Altötting die Runde im Bayernland: Ein Bauer war mit der Haferernte am Feld im Umland von Altötting zugange und wollte eine Wagenladung voll nach Hause fahren. Seinen sechsjährigen Sohn setzte der Bauer aufs Handroß. Durch das Wetterleuchten eines herannahenden Sommergewitters schreckte das Pferd und der Knabe fiel unter den Wagen, der von den durchgehenden Pferden mitgezogen wird. Der Bub wird von den schwerbeladenen Fuhrwagen überrollt und dermaßen „zerdrückt“, dass er dem Tod näher als dem Leben war. Es gab nach menschlichem Erachten keine Hoffnung mehr. Dennoch wurde ein Gelübde gemacht und die Mutter Gottes um Hilfe angefleht. „Folgenden Tag ist der Knabe wiederum ganz frisch und gesund“, klingt es nun übers Land und weit über die Landesgrenzen hinaus.
Durch den überzeugenden Glauben an die wirkmächtige Wundertätigkeit des Altöttinger Gnadenbildes verbreitete sich die begründete Hoffnung auf weitere wundersame Hilfe, von deren Lebenskraft bis in unsere Tage die Votiv- und Mirakeltafeln rund um die Gnadenkapelle berichten.
Erhard Karl benennt in seinem Altöttinger Lesebuch die Rahmenbedingungen für über 530 Jahre Wallfahrt zur Gnadenmutter:
1. Die Wittelsbacher als Hüter und Förderer
2. Die Wallfahrt von Kaisern, Päpsten, Fürsten und „den Großen“ wirkte als Vorbild für das Volk
3. Bewusste kulturelle Konzentration im religiösen Sammelpunkt um aus der Völkervielfalt eine Gemeinschaft herzustellen
4. Medienwirksame Verbreitung des „Mythos Altötting“
5. Literarische Kundmachung durch Dichter und Schriftsteller
6. Vielfalt und Beständigkeit des liturgischen und spirituellen Angebots
7. Päpstliche Wertschätzung durch persönliche Zeichen
8. Allgemeine Verbreitung der Marienfrömmigkeit und der Marienwallfahrt
9. Die Schönheit des Gnadenbildes und seine besondere Ausstrahlung, die durch den prächtigen Gnadenalter in der schwarz-wandigen Kapelle verstärkt wird
Die weiteren Stationen durch die Wallfahrtsgeschichte wurden in der beeindruckenden Dioramenschau des Altöttinger Marienwerkes nach Konzept und Gestaltung von Reinhold und Dora Zellner auf Grundlage sorgfältiger Recherchen in ausdrucksstarken 3‑D-Großraum-Bildern mit über 5.000 Figuren dargestellt.