Wunder über Wunder
„Ein mächtiges Mittel zur Förderung der Wallfahrtsidee waren zu allen Zeiten Druck und Verbreitung der Wunderberichte. Wer Erhörung gefunden hatte, verkündete es freudig in seiner Heimat. Manch einer hing seine Handschrift mit dem Bericht, auch bestättigt und gesiegelt von hohen Herren, an die Kapelle.”
Mirakelbücher
Wunder über Wunder ereignete sich in den Jahren des ausgehenden 15. Jahrhunderts durch die mildtätigen Gnadenerweise Unserer Lieben Frau von Altötting. Es wurde vielfach von plötzlichen, naturwissenschaftlich nicht erklärbaren und dauerhaften Heilungen berichtet. Ein paar Jahrzehnte zuvor hatte der Goldschmied Johannes Gutenberg mit der Erfindung der Druckerpresse eine bahnbrechende Zeitwende eingeleitet. Es entsprach dem modernen Zeitgeist, dass bald darauf die Wunderberichte in Mirakelbüchlein abgedruckt wurden. Die bekannteste und umfangreichste Sammlung ließ der Altöttinger Chorherr Jacobus Issickenner 1497 in Nürnberg drucken. Die Meldung der Wunder durch das gedruckte Wort verbreitete sich rasant.
„Item Joerg Eispain von Pechlerin ist gestochen worden am Pfinztag nach Stephani im 93. nächtlicherweil mit einem Brotmesser bis an das Heft in den Bauch neben dem Nabel. In dem hat er angerufen die Mutter aller Gnaden um Barmherzigkeit zu alten Ötting. Nach dem Gelübde am 10. Tag nichts mehr empfunden. Ist hie gewesen des abends nach Nativitatis Mariae im 93. Jahr.”
Die großen Mirakeltafeln
Reklame erfolgte zur Zeit der ersten Wunder nicht über Radio, Fernsehen und Internet, sondern durch bildhafte Darstellungen, die auch von den einfachen Menschen ohne Lesekenntnisse verstanden werden konnten. Der um 1500 erfolgte Anbau des Langhauses der Gnadenkapelle mit dem luftigen Umgang wurde mit 57 großen spätgotischen Tafelbilder ausgestattet.
Die bis zu zwei Meter hohen Mirakeltafeln bedecken über zwei Drittel der Kapellmauern. Die Abbildungen sind mit textlichen Schilderungen der Begebenheiten aus dem 15. und 16. Jahrhundert ergänzt. Sie erzählen in anschaulicher und eindrucksvoller Weise über Unfälle, Krankheiten und Naturkatastrophen. Der unbekannte Künstler schuf diese im Auftrag der Kapellverwaltung, die man “dem andächtigen ankommenden Volck zu Gefallen”, so berichtet der Stiftsdechant Johann Scheittenberger 1520, angebracht hat. Sie waren als direktes Mittel zur Wallfahrtsbildung und Förderung gedacht. Es ist ein großes Wallfahrtsbilderbuch, für das man seit 500 Jahren den Kopf in den Nacken legen und den Blick nach oben richten muss.
„… Ein Anzaig der Mutter Gottes weit außkommenen und berühmten Lobs und Anraitzung newe und mehrere Gnad und Gutthaten von ihr zubegehreen; massen dann solches auch hernach beschehen wie auß nachfolgenden zuvernehmen.” Wir verstehen schon! Der Jesuit spricht es klar aus, wozu die Umgangstafeln geschaffen wurden: dem Volk zu gefallen — zum Zeugnis — zur Weckung für neues und noch größeres Vertrauen.”
Votivtafeln
Über 2.000 Votivbilder zieren die Wände in der Gnadenkapelle und den Umgang im Außenbereich. Sie sind Zeugen des vertrauensvollen Glaubens, Berichterstatter über das jahrhundertelange Wunder der Wallfahrt in Altötting und bis heute eine beliebte Ausdrucksform des Dankes an die Gnadenmutter für erhoffte und erhaltene Hilfe. “Ex voto” ist auf ihnen zu lesen: das Bild ist eine Votivgabe aufgrund eines Gelübdes als Zeichen des Dankes für die Rettung aus Not, Gefahr oder Krankheit, kann aber auch mit der Bitte um Erfüllung eines Wunsches verbunden sein.
Noch ein Buch-Tipp: Für Interessierte gibt es weitere spannende Geschichten rund um Altötting im “Altöttinger Lesebuch” von Erhard Karl zu lesen.